BVB wird deutscher Meister 2002

1999 – Absturz und Neubeginn

Die großen sportlichen Erfolge der 90er Jahre waren wirtschaftlich kaum refinanzierbar. Die teure Mannschaft und noch mehr der Ausbau des Stadions in drei Bauabschnitten brachten Borussia Dortmund an den Rand der Insolvenz. Haarscharf gelang die Rettung.

1999/2000 war es zudem auch sportlich eng geworden. Matthias Sammer, der im Oktober 1997 sein letztes Spiel bestreiten konnte, und Udo Lattek mussten die Mannschaft vor dem Abstieg retten. Das Team wurde erneut teuer verstärkt, holte 2002 an den finalen drei Spieltagen fünf Punkte auf Leverkusen auf und gewann die Deutsche Meisterschaft. Das UEFA-Pokal-Endspiel ging unglücklich mit 2:3 gegen Feyenoord Rotterdam verloren.

Am 22. Dezember 2003 deckten die Journalisten Thomas Hennecke (kicker) und Freddie Röckenhaus (Süddeutsche Zeitung) die Finanzkrise des BVB auf. Unter der Führung von Dr. Gerd Niebaum hatte der Klub Verbindlichkeiten in Höhe von 118,9 Millionen Euro angehäuft. Im November 2004 übernahm Dr. Reinhard Rauball erneut das Präsidenten-Amt, gemeinsam mit dem neuen Geschäftsführer der KGaA, Hans-Joachim Watzke, konnte im Frühjahr 2005 die drohende Insolvenz abgewendet und die Konsolidierung eingeleitet werden.

Sportlich spielte der BVB längst nicht mehr die erste Geige. Über Rang drei (2003) ging es über die Plätze sechs und zweimal sieben sowie neun runter auf 13 zum Ende der Spielzeit 2007/2008. Allerdings gelang in jenem Jahr erstmals seit 1989 der Einzug ins Pokalfinale, das knapp mit 1:2 n.V. gegen Bayern München verloren ging.

DER sportliche Glücksgriff war dann die Verpflichtung von Jürgen Klopp als Cheftrainer zur Saison 2008/2009. Die Erfolgsstory starte allerdings mit einer (kleinen) Enttäuschung: Erstmals in der Liga-Geschichte reichten 59 Punkte nicht zur Teilnahme am Europapokal. Der BVB verpasste am letzten Spieltag mit einem 1:1 in Gladbach Platz fünf.

Anekdoten aus dem Jahrzehnt

14.04.2000

Ein Fall für Zwei: Lattek und Sammer sollen den BVB retten

"Wie ein Außerirdischer" (kicker Sportmagazin) wird Borussias neuer Trainer Udo Lattek an diesem Freitag bei seiner Ankunft am BVB-Trainingsgelände "Rabenloh" bestaunt. Kein Wunder: Die Berufung des 65 Jahre alten renommierten und eigentlich schon pensionierten Fußball-Fuchses auf den Trainerstuhl der Schwarzgelben gilt als Sensation. Ihm zur Seite steht der erst 32 Jahre alte Trainer-Novize Matthias Sammer, der erst zwei Monate später seine Fußball-Lehrer-Lizenz erwerben sollte. Ihre Aufgabe in diesem "Fall für Zwei" lautet, die krisengeschüttelten und seit 12 Spielen sieglosen Borussen vor dem drohenden Abstieg zu retten. Das Duo setzt dabei auf eine klare Kompetenzverteilung: Der Medien-Profi und Motivationskünstler Lattek soll die Mannschaft vom psychischen Druck befreien, der Perfektionist und Analytiker Sammer ist für die sportliche Marschrichtung des Teams verantwortlich. Die Mission gelingt. Der BVB holt aus den verbleibenden fünf Partien acht Punkte und landet in der Endabrechnung auf Rang elf. "Feuerwehrmann" Udo Lattek hat nach dem nervenaufreibenden Saisonfinale vom aktiven Fußball-Geschäft genug und beobachtet die Bundesliga fortan wieder aus Sicht des Kommentators. Trainer-Neuling Sammer führt den BVB allein in eine erfolgreichere Zukunft

31.10.2000

Der Börsengang des BVB: Borussias Zukunft hat begonnen

Was sportlich historische Erfolge anbelangte, hatte der BVB schon häufig die Nase vorn: Als erster und einziger Klub verteidigten die Schwarzgelben die Deutsche Meisterschaft mit der gleichen Elf, als erster deutscher Verein wurden sie 1966 Europacupsieger und 1997 Champions-League-Gewinner. Spätestens seit dem Oktober des Jahres 2000 steht der Name Borussia Dortmund für eine weitere Pionier-Leistung von geschichtlicher Dimension, diesmal nicht auf sportlichem, sondern auf wirtschaftlichem Terrain: Als erster deutscher Bundesligist vollzieht der BVB den Gang an die Börse. Am 31. Oktober 2000 wird die BVB-Aktie im Amtlichen Handel der Frankfurter Wertpapierbörse notiert; der Ausgabekurs beläuft sich auf elf Euro.

Ermöglicht wurde dieser Schritt durch den Beschluss der Mitgliederversammlung des BVB vom 28. November 1999 über die Umwandlung von Teilen des Vereins in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Das Ziel dieser Umwandlung und des anschließenden Schrittes an die Börse ist die Verbreiterung der wirtschaftliche Basis des BVB, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Klubs langfristig weiter auszubauen. "Wenn ein Verein wie Borussia Dortmund den Fußball in Deutschland und Europa nicht nur in den nächsten zwei oder drei Jahren, sondern in den nächsten 15 Jahren mitprägen möchte, ist der Börsengang ein folgerichtiger und sinnvoller Schritt", unterstreicht BVB-Präsident Dr. Gerd Niebaum, der den Going Public, als "eine zweite Geburtstagsfeier für den Verein" bezeichnet.

14.11.2000

Heiko Herrlich schwer erkrankt

Nicht nur alle Borussen, die ganze Fußball-Welt ist bestürzt: Auf einer Pressekonferenz gibt Borussia Dortmund bekannt, dass Nationalspieler Heiko Herrlich an einem Hirntumor leidet. Der Stürmer hatte zuvor über Sehstörungen geklagt."Wir sind sehr betroffen. Die Entwicklung zeigt, dass es Wichtigeres als Spielergebnisse und Tabellensituationen gibt. Allerdings haben uns die Mediziner die Hoffnung gegeben, dass Heiko Herrlich völlig wiederhergestellt werden und seinen Beruf als Fußballer weiter ausüben kann," informiert ein sichtlich mitgenommener Dr. Niebaum auf Herrlichs ausdrücklichen Wunsch die öffentlichkeit. In den folgenden Tagen erreichen den BVB aus ganz Deutschland Tausende von Faxen und E-Mails mit Genesungswünschen für den 28-Jährigen Torjäger. Vier Monate später gibt Heiko Herrlich auf einer erneuten Pressekonferenz bekannt, dass er seine schwere Erkrankung nach Ansicht der behandelnden ärzte überwunden habe. Er dankt ausdrücklich dem Pflegepersonal und insbesondere BVB-Mannschaftsarzt Dr. Preuhs, der ihm während der gesamten Behandlungsphase zur Seite gestanden hatte. Am 3. Juli 2001 feiert der Angreifer beim Vorbereitungs-Turnier in Kriens sein Comeback im BVB-Trikot.

04.04.2002

Sternstunde im Europacup: Amoroso-Gala gegen Milan

Jüngere BVB-Fans reiben sich verwundert die Augen, langjährige Anhänger fühlen sich an Borussias legendären 5:0-Erfolg über Benfica Lissabon aus dem Jahre 1963 erinnert. Sensationell, aber verdient fegen die Dortmunder im Hinspiel des UEFA-Cup-Halbfinales den sechsfachen Europapokalsieger und dreifachen Weltpokal-Gewinner AC Mailand aus dem Stadion. Umjubelter Held dieser schwarz-gelben Europacup-Sternstunde ist Marcio Amoroso, der mit seinem Hattrick (8., 34. und 39. Minute) den Erfolg schon in der ersten Halbzeit unter Dach und Fach bringt. Jörg Heinrich sorgt in der zweiten Hälfte für den Endstand (63.). Noch beeindruckender als das nackte Ergebnis ist jedoch die Art und Weise, wie es zustande kommt. Der italienische Renommier-Klub wird an diesem Abend phasenweise vorgeführt; die Borussen, allen voran Amoroso, Ewerthon und Dede, zelebrieren wunderbaren Fußball, der die 52.000 von den Sitzen reißt.

Das Vier-Tore-Polster ist 14 Tage später in Mailand Gold wert. Der AC startet eine Aufholjagd und kommt durch Inzaghis Elfmeter in der Nachspielzeit gar auf einen Treffer heran, bevor Lars Ricken den BVB zum 1:3-Schlussresultat einschießt, das die Dortmunder endgültig ins Finale nach Rotterdam bringt.

04.05.2002

Herzschlagfinale: Der BVB zum sechsten Male Deutscher Meister

Am Nachmittag dieses 4. Mai 2002 ereignet sich das, was Sportjournalisten für gewöhnlich als "Herzschlag-Finale" bezeichnen. Die Voraussetzungen für das Titeldreikampf am letzten Spieltag der Saison 2001/2002 sind klar: Dortmund führt die Tabelle mit einem Punkt Vorsprung vor Bayer Leverkusen und zwei Zählern vor dem FC Bayern an.Das entscheidende Spiel gegen Werder Bremen im Westfalenstadion gleicht in seinem Verlauf, den Wechselbädern, die der BVB und seine Fans während der gesamten Saison genommen hatten: der Lattentreffer durch Amorosos Freistoß, die Bremer Führung durch Stalteri, die souveränen Meisterschafts-Konkurrenten, die frühzeitig alles klar machten, Kollers Ausgleich durch eine Chance, die keine war, Addos Pfostenschuss. Dortmunds Brasilianer Ewerthon macht sich schon an der Seitenlinie warm, als Bremens Tjikuzu bei seiner Riesenchance die schwierigere von zwei Möglichkeiten wählt: Er schießt den Ball nicht in das, sondern nur an das Dortmunder Tor.

Trainer Sammer selbst räumt angesichts des Lattentreffers nachher ein: "Wäre das die erneute Führung für Werder gewesen, wären wir nicht mehr zurückgekommen."Statt dessen kommt der kleine Ewerthon, der erst während der Saison zum BVB wechselte und gegen St. Pauli einen großartigen Einstand feierte. Ewerthon erweist sich erneut als Blitzstart-Spezialist. Einige wollten es ganz genau wissen und haben mitgestoppt: 49 Sekunden ist er im Spiel, als er in der 74. Minute die Flanke von Dede über die Linie drückt und dadurch eine Geräusch-Entwicklung auslöst, die es im Westfalenstadion, nicht gerade als Ort der Stille bekannt, wohl noch nie gegeben hat - Borussia Dortmund ist zum sechsten Male Deutscher Meister.

13.09.2003

Ausbau und "Adelsschlag": Das Westfalenstadion wurde "dicht gemacht"

Die dritte Ausbaustufe ist vollendet, alle vier ausgebauten Eckbereiche des Westfalenstadions sind zur Nutzung freigegeben, in Dortmund steht der größte und für viele schönste Fußball-Tempel Deutschlands: 80.500 Besucher erleben am den 2:1-Erfolg des BVB über Werder Bremen. Die bis dato zweitgrößte Kulisse der Bundesliga-Geschichte. Am 3. Dezember wird aus der Hoffnung Gewissheit: Das OK der WM 2006 vergibt neben vier Vorrunden- und einem Achtelfinalspiel auch ein Halbfinale nach Dortmund.Präsident Dr. Niebaum bezeichnet diese Entscheidung als "Adelsschlag" für das Westfalenstadion. Am 30. Januar 2004 ist die Dortmunder Fußball-Oper erstmals nach der Erweiterung ausverkauft: 83.000 Zuschauer verfolgen vor Ort das Revierderby gegen Schalke. Diese Stadion-Erweiterung aber ist für den BVB nicht zu finanzieren.

Es wird zwischenzeitlich an einen geschlossenen Immobilienfonds verkauft, doch auch die Zins- und Tilgungsleistungen für den späteren Rückkauf erweisen sich als zu ambitioniert. Im Frühjahr 2005 steht Borussia Dortmund kurz vor der Insolvenz, die nur knapp abgewendet werden kann.
Sportlich erlebten die Fans in den folgenden Jahren Höhen und Tiefen. Obwohl die Kosten für den Kader werden mehr als halbiert werden mussten, und es durchaus prekäre Saisonphasen gab, in denen Borussia Dortmund in Abstiegsgefahr geriet, sprangen am Ende Platzierungen zwischen sieben und neun heraus.
Das schlechteste Abschneiden in diesen mageren Jahren betraf die Spielzeit 2007/2008, die auf Rang 13 abgeschlossen wurde - vor allem deshalb, weil sich die Mannschaft ab dem Frühjahr ausschließlich auf den DFB-Pokal zu konzentrieren schien, wo erstmals seit 1989 der Durchmarsch ins Endspiel gelang.


2009 - Aufbruch und Ambitionen